«Hast du mich gesehen?» fragen Kinder stolz, wenn sie es zum ersten Mal geschafft haben, eine Strecke ohne zu Kippen auf dem Velo zu meistern. Oder wenn sie in einer Theateraufführung mitgemacht haben. Später sind es andere Dinge, mit denen wir auf uns aufmerksam machen: eine spezielle Leistung, eine ausserordentliche Begabung, ein Doktortitel. Alle, auch Menschen, die gerne unauffällig mit dem Strom schwimmen, sehnen sich danach, wahrgenommen zu werden. Gesehen zu werden als die, die sie in ihrer Einzigartigkeit sind, zu spüren: Ich bin jemand.
Vielen bleibt dies verwehrt. Sie fühlen sich unverstanden, übersehen, vergessen. Auch Hagar ging es so. Ihre Herrin Sarah, die selbst keine Kinder bekam, liess sie mit Abraham ein Kind zeugen. Dann aber wurde Sara eifersüchtig die stolze Schwangere. Sie schikanierte sie und behandelte sie so abschätzig, dass Hagar die Flucht in die Wüste ergriff. Am Tiefpunkt, dem Tod nahe, sprach ein Bote Gottes sie an. Er sagte ihr, dass sie einen Sohn gebären wird, den sie Ismael (Gott hört) nennen soll, denn Gott habe ihre Not gehört. Hagar durfte erfahren, dass sie nicht allein war. Es gab jemand, der ihre Situation, ihr Leiden, ihre Verzweiflung wahrgenommen hatte und ihr beistand. Das gab ihr Kraft. «Du bist ein Gott, der mich sieht», sagte sie, bevor sie sich auf den Rückweg zu Sara und Abraham aufmachte.
«Du bist ein Gott, der mich sieht» – diese Worte von Hagar sind die Jahreslosung (Bibelvers, der als Begleiter für ein Jahr ausgesucht wird) für 2023.
Auf Besuchen erlebe ich immer wieder, wie wichtig es für Menschen ist, gesehen zu werden. Schon nur dadurch, dass sie ihre Situation schildern können, ihre Lage direkt vor Ort zeigen können und spüren, dass jemand sie nicht nur in ihren Freuden, sondern auch Ängsten und Sorgen sieht, wird es für sie erträglicher.
Der Vers der Jahreslosung sagt uns allen: Was immer auf dich zukommen wird, wie immer es dir geht, wer immer du bist, Gott sieht und hört dich. Er begleitet dich auf deinem Weg. Er schenkt dir die Kraft, die du brauchst, um die nächsten Schritte zu tun, auch wenn sie mühsam und schwierig sind. Und der Vers ermutigt uns auch, selbst andere, vielleicht vergessene Menschen zu sehen und anzusprechen. Ein gesegnetes 2023 wünscht Ihnen
Pamela Wyss
Im Gottesdienst vom 19. Februar 2023, 10 Uhr, erfahren Sie mehr zu Hagar und dem Vers der Jahreslosung.