Gedanken auf den Weg: Der ewige Zweite – Apostel Andreas

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Andreas, der Bruder von Simon Petrus, sage zu Jesus: „Hier ist ein Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen?“ Johannes 6,9

Der Apostel Andreas ist viel weniger bekannt, als sein Bruder Petrus. Sein Name taucht nur 12 Mal, der des Petrus 159 Mal im Neuen Testament auf.

Vielleicht ist es ihm ein wenig so ergangen, wie meiner Schwester. Sie ist die jüngere von uns beiden und musste sich immer anhören: Die Pamela schaut, sie ist verantwortlich, sie kann es. Bei mir war alles neu und interessant, bei ihr kannte man es schon. Und wenn es doch einmal etwas gab, das sie zuerst machte und gut konnte, so begann ich meistens auch damit, wodurch es ihr wieder verleidete.

Ich weiss nicht, ob es auch für Andreas so war. Ob er, wie viele andere heute auch, frustriert war, immer nur der Zweite zu sein. Immer jemanden vor sich zu haben, der noch bekannter ist, etwas noch besser kann, noch schneller und beliebter ist. Das schlägt auf’s Selbstbewusstsein und auf‘s Gemüt.

Andererseits bin ich überzeugt, dass niemand immer nur Zweiter ist. Jede/r hat etwas, das ihn/sie speziell macht, in dem er/sie gut ist. Nur wollen wir oft in den gleichen Dingen gut sein, wie alle andern. Wollen ebenso viel verdienen, einen gleich schönen Garten haben, eine ebenso tolle Familie haben wie unsere Kollegen, Nachbarn und Freude und auch musikalisch oder sportlich ähnlich erfolgreich sein.

Aber das kann nicht gelingen und muss es auch nicht. Wir sind verschieden und können uns dadurch ergänzen. Es braucht Menschen, die gerne vorne stehen, voran gehen und gesehen werden. Und solche, die im Hintergrund getreu wirken und die es nicht stört, im zweiten Glied zu stehen.

Ich nehme an, Andreas hat es nicht gestört, weniger berühmt zu sein, als sein Bruder. Die beiden scheinen gut miteinander ausgekommen zu sein. Und zudem hatte auch Andreas seine Gaben. Anders als der draufgängerische Anführertyp Petrus, war er wohl eher ein ruhiger, genauer und kritischer Beobachter. Er nahm die Welt und Menschen um sich herum genau wahr.

Es war Andreas, der Jesus auf den Jungen mit den Broten und Fischen aufmerksam machte, als sie sich überlegten, wie sie genug Nahrung für so viele Menschen auftreiben konnten. Er war realistisch genug, zu sehen, dass dies nirgendwo hin reichen würde. Aber er behielt seine Beobachtung trotzdem nicht für sich. Er sprach es aus und gab damit nicht nur einen wichtigen Anstoss für das folgende Speisungswunder, sondern für uns alle: Mit dem, was wir haben, kommen wir oft viel weiter, als wir denken, wenn wir genau schauen. Und wenn wir es versuchen und uns gegenseitig aushelfen.

Auch sonst war Andreas vermutlich ein Mensch, der es genau wissen wollte. Er fragte nach dem Lebenssinn und nach Gott. Zuerst als Jünger von Johannes dem Täufer. Als dieser dann sagte, Jesus sei der Sohn Gottes, wollte Andreas wissen, was es damit auf sich hatte und schloss sich Jesus an. Schon nach kurzer Zeit war er so überzeugt, dass er seinem Bruder Petrus bekannte: „Ich habe den Messias, den Retter gefunden“ und ihn ebenfalls zu Jesus führte.

Für mich ist Andreas sowohl von den wenigen von ihm überlieferten Worten her, die von Aufmerksamkeit und ernsthaftem Interesse zeugen, ein Vorbild, als auch durch seine Taten. Das, wovon er überzeugt war, lebte er. Es erstaunt daher nicht, dass Andreas in der orthodoxen Kirche eine wichtige Rolle erhielt. Der Patriarch von Konstantinopel, das höchste Oberhaupt der Orthodoxen, bezeichnet sich als Nachfolger von Andreas (wie der Papst von Petrus). Beide Brüder haben also einen wichtigen Platz in der kirchlichen Landschaft erhalten.

Was kann das für uns heute bedeuten?

Für die, welche sich als ewige Zweite sehen, die darunter leiden, dass oft jemand vor ihnen steht, der mehr und lauter spricht und gewisse Dinge vermeintlich besser kann, kann das heissen: Lasst euch nicht einschüchtern und zurück setzen. Auch Zweite haben ihre Qualitäten, die nicht nur unerlässlich sind für’s Ganze, sondern in gewissen Bereichen auch wichtiger sind, als was sogenannt Erste zu bieten haben.

Und für die welche gerne voran gehen und ihre Meinung sagen, kann es heissen: Seid euch bewusst, das ihr durch euer Vorpreschen andere in den Schatten stellt. Einige sind froh darum, andere nicht. Seid euch aber v.a. bewusst, dass aufmerksam und kritisch beobachtende Menschen im Hintergrund euch wichtige Hinweise geben können und dass ihr gemeinsam viel, auch Überraschendes erreichen könnt. Amen.

Gebet

Gott, Vater, danke, dass wir Menschen so verschieden geschaffen sind und dass wir alle einen Platz und eine Aufgabe haben. Zeige denen, die das Gefühl haben, nicht zu genügen, welche Stärken sie haben und wo sie einen Beitrag leisten können.

Und zeig denen, die vorne stehen, dass auch andere im Hintergrund wichtige Aufgaben erfüllen und ihren Platz und ihre Anerkennung benötigen.

Und lass uns alle spüren, dass wir dir wichtig und lieb sind, so wie wir sind.  Amen.

Pamela Wyss

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