Barmherzig sein – Gedanken zum Jahreswechsel

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Das zu Ende gehende Jahr wird oft als ein „Jahr zum Vergessen“ bezeichnet, eines, das wir so nicht nochmals erleben möchten. Trotzdem kann uns das 2020 auch positive Erinnerungen mitgeben. Eine Bekannte hat mir z.B. erzählt, sie habe die Natur noch nie so intensiv erlebt, da sie bewusster Spaziergänge machte. Viele haben die Entschleunigung während des Lockdowns genossen: Man hatte plötzlich Zeit, da viele Termine abgesagt wurden. Und das Ausprobieren neuer Formen, wie z.B. der „Offenen Kirche“, bei der man während einer bestimmten Zeit frei kommen und gehen kann, hat uns Pfarrpersonen Anregung und Motivation gegeben. Ich selbst versuche Ende Jahr jeweils bewusst das Positive mitzunehmen und schreibe es mir auf.

Dabei stellt sich auch die Frage nach Gott, die ich auch in persönlichen Gesprächen oft höre. Begleitet er uns wirklich in allem und trägt uns? Auch dann, wenn wir seine Nähe vermissen? Lässt ihn unser menschliches Schicksal kalt oder leidet er mit uns mit? Hat er die Herrschaft über unsere Welt? Und warum überlässt er sie dann Mächtigen, die oft eigene Interessen verfolgen?

Klare Antworten auf diese Fragen habe ich nicht. Ich versuche mich leiten zu lassen von dem, was ich über Gott in der Bibel lese und was andere Menschen an Erfahrungen mit ihm berichten. Am Anfang eines neuen Jahres ist mir zudem die Jahreslosung, der Bibelvers, der von einer ökumenischen Arbeitsgemeinschaft als Leitmotiv und Ermutigung für das neue Jahr ausgesucht wird, wichtig. Fürs 2021 lautet er: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist (Lukas 6,36).

Barmherzigkeit, das ist ein Begriff, der ausserhalb des Christentums wenig verwendet wird. Er tönt nach Nachgiebigkeit, Gnade, Erbarmen – alles Eigenschaften, die in unserer Wirtschaftwelt und Politik keinen grossen Stellenwert haben. Da ist eher unbarmherziges Durchsetzen von eigenen Zielen und von Vorschriften die Regel. Aber wollen wir das unwidersprochen hinnehmen? Auch wenn unser Einfluss beschränkt ist, können wir ein anderes Zeichen setzen und im 2021 versuchen im Umgang mit andern und auch uns selbst barmherzig zu sein. Das ist nicht einfach, aber Gott, der uns seine Barmherzigkeit erfahren lässt, wird uns dabei helfen.

Ein gesegnetes neues Jahr wünscht Ihnen

Pamela Wyss

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