Die Passionsgeschichte des Evangelisten Markus erzählt in schroffen und spröden Worten das Drama des Jesus aus Nazaret in seiner letzten Woche als Pilger des Pessachfestes in Jerusalem. Es ist abgesehen von einzelnen Anspielungen und Hoheitstiteln in den Paulusbriefen die erste und älteste Passionsdarstellung. Manche Ausleger nannten das ganze Evangelium eine Passionsgeschichte mit Vorspiel. An dramatischen Höhepunkten der Passionsgeschichte sind Worte oder Anspielungen aus den Psalmen eingeflochten. Den berühmtesten Bezug bilden die ersten Worte des Psalms 22, welche Jesus in aramäischer Sprache am Kreuz unmittelbar vor seinem Tod schreit. „Mein Gott, mein Gott, warum denn hast du mich verlassen?“
Ein weiteres Dutzend Stellen lassen sich finden. Dabei werden die Psalmen nicht zitiert, nicht als Zitate eingestreut. Sie belegen keine Erfüllung oder Verbindung. Vielmehr bilden sie die Gedanken- und Gefühlswelt Jesu ab. Jesus versteht sich selbst als das Subjekt der Psalmen, auf die seine Worte anspielen. In den Klage- und Dankliedern des Einzelnen, wie wir jene Psalmen gattungsgeschichtlich nennen, wird das Geschick des Gerechten und Frommen vor Gott thematisiert. Der einsame Gerechte Gottes erleidet Gewalt durch Menschenhände und erduldet den Hohn der Frevler. Selbst die Erfahrung der Bedrängnis durch die Macht des Todes deutet er als Gottes Wille. Darin erfährt er den Gott Israels. Ihm liefert er sich aus.
Pfr. Roland Diethelm
In sechs Predigten gehe ich diesem Passions-Geheimnis nach:
Erster Sonntag in der Passionszeit (6. März 2022): Das letzte Mahl und der soziale Tod (Mk 14,17-25 mit Ps 41)
Dritter Sonntag in der Passionszeit (20. März 2022): Der Garten Gethsemane und das Schwinden der Lebenskraft (Mk 14,32-42 mit Ps 42/43)
Vierter Sonntag in der Passionszeit (27. März 2022): Der Garten Gethsemane und der Freund, der zum Feind wird (Mk 14,32-42 mit Ps 55)
Palmsonntag (10. April 2022): Der Einzug in Jerusalem und die Ausrufung „der da kommt im Namen des HERRN!“ (Mk 11 mit Ps 118, Verse 25f)
Gründonnerstag (14. April 2022): Der Lobgesang des Passahallels (Mk 14,26 mit Ps 114-118)
Karfreitag (15. April 2022): Die Kreuzigung in der Gottesferne des Gottessohns (Mk 15 mit Ps 22)