Offene Kirche am Zweiten Sonntag im Advent 2020

Bericht, Gottesdienste

  

In der Advents- und Weihnachtszeit sind Präsenz und Botschaft der Kirche erst recht gefordert. Ein klassischer Gottesdienst ist unter den Bedingungen der Pandemie nicht möglich. Deshalb begrüssen wir Sie von 10 Uhr bis 12 Uhr zur «Offenen Kirche». In dieser Handreichung finden Sie eine Anleitung zur persönlichen Andacht, Gebete und Meditationen mit Informationen zum Sonn- und Feiertag. In der offenen Kirche erklingt zur ganzen und halben Stunde Musik an der Orgel oben oder vom Samichlous unten am Harmonium. Vorne steht der Fürbittetisch bereit. Sie können eine Kerze für Ihre Lieben anzünden, Ihre Anliegen ins Fürbittebuch schreiben oder einfach die gemeinsame Stille im Raum geniessen. Im Chor haben wir eine angenehme Sitzgelegenheit eingerichtet. Dort sind wir Seelsorgenden für ein persönliches Gespräch und Gebete bereit.

Das Format spielt Ihnen den Ball zu, was Sie in der Kirche machen möchten und was lieber zu Hause oder gar nicht. Sie sind frei, jederzeit zu kommen und zu gehen und solange zu bleiben, wie es Ihnen guttut. Um zwölf Uhr schliessen wir die Offene Kirche mit dem Mittagsgebet aus der benediktinischen Tradition ab.

 

Zweiter Sonntag im Advent

Am heutigen Zweiten Sonntag im Advent gedenken wir zugleich des Bischofs von Myra, Nikolaus.

Lesung

Seht zu, dass ihr eure Gerechtigkeit nicht vor den Leuten dartut, um von ihnen gesehen zu werden, sonst könnt ihr keinen Lohn erwarten von eurem Vater im Himmel. Wenn du nun Almosen gibst, so posaune es nicht aus, wie die Heuchler es machen in den Synagogen und auf den Strassen, um von den Leuten gepriesen zu werden. Amen, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon bezogen. Wenn du aber Almosen gibst, lass deine Linke nicht wissen, was die Rechte tut, damit dein Almosen im Verborgenen bleibt. Und dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird es dir vergelten. (Mt 6,1-4)

 

Psalmgebet

Ich will dich preisen von ganzem Herzen,

vor Göttern will ich dir singen.

Zu deinem heiligen Tempel hin will ich mich niederwerfen

und deinen Namen preisen um deiner Gnade und Treue willen,

denn du hast dein Wort gross gemacht um deines Namens willen.

Am Tag, da ich rief, erhörtest du mich,

du gabst meiner Seele Kraft.

Preisen sollen dich, HERR, alle Könige der Erde,

denn sie haben die Worte deines Mundes gehört.

Sie sollen singen von den Wegen des HERRN,

denn gross ist die Herrlichkeit des HERRN.

Erhaben ist der HERR, doch den Niedrigen sieht er,

und den Hochmütigen erkennt er von fern.

Gehe ich auch mitten durch Bedrängnis,

du erhältst mich am Leben, dem Zorn meiner Feinde zum Trotz,

du streckst deine Hand aus,

und deine Rechte rettet mich.

Der HERR wird es vollenden für mich.

HERR, deine Gnade währt ewig,

lass nicht fahren die Werke deiner Hände. (Psalm 138)

 

Gedanken zur Meditation

Der heilige Nikolaus ist Idol aller christlichen Konfessionen– und eine versöhnende Gestalt. Davon wurde ich Zeuge, als ich vor einem Jahr im italienischen Bari die Nikolaus-Kirche besuchte, wo seine Gebeine als Reliquien verehrt werden. Orthodoxe Gesänge ertönten aus der Krypta. Mein Blick fiel auf die andächtigen Gesichter russischer Touristen. Pilger aus der gesamten christlichen Welt strömen zu Nikolaus’ sterblichen Überresten in der apulischen Hafenstadt – unabhängig von ihrer Denomination beten seine Besucher vor seinem Schrein. Wer war der Mann zu Lebzeiten und warum ist er bis heute so populär?

Irgendwann zwischen 270 und 286 n. Chr. in Lykien in der heutigen Türkei geboren, wurde er als junger Mann zum Priester geweiht und bald zum Abt eines Klosters gewählt. Später war er Bischof der Kleinstadt Myra südwestlich des heute bekannten Badeortes Antalya. Während der Christenverfolgungen geriet er in Gefangenschaft und wurde gefoltert. Davon zeugt seine etwas schief verheilte Nase, wie eine Autopsie der verehrten Knochen ergab. Der Hüter der Orthodoxie war selbst aber auch nicht zimperlich mit seinen Gegnern. Am Konzil von Nizäa soll er seinen theologischen Widersacher Arius geohrfeigt haben, weil er um die wahrhaft katholische Lehre fürchtete. Arius’ Christologie gestand Christus zwar den Rang als einem ersten Geschöpf Gottes zu, aber nicht Wesensgleichheit mit dem Vater. Nikolaus bekam Hausarrest für die Ohrfeige, doch die vom ihm vertretene Lehre der Gottheit des Sohnes gewann am Konzil die Oberhand und setzte sich in der ganzen römischen Reichskirche durch. Populär machte ihn aber nicht sein handgreiflicher Einsatz für die Rechtgläubigkeit, sondern sein Engagement für die Armen. So liess er sein grosses ererbtes Vermögen in einer Hungersnot unter die Notleidenden verteilen. Unzählige Legenden ranken sich um diese grossartige christliche Caritas. Eine der rührendsten Geschichten erzählt, wie er drei Töchter eines verarmten Vaters vor der Prostitution rettete, indem er in drei aufeinanderfolgenden Nächten je einen grossen Goldklumpen durchs Fenster in ihr Zimmer warf. Bilder zeigen ihn oft mit drei goldenen Äpfeln oder Kugeln. Sein Ruhm gelangte mit den guten Handelsbeziehungen vom oströmischen Kleinasien ans adriatische Meer und nach Italien und von dort weiter über die Alpen nach Deutschland und schliesslich bis in den Osten und den Norden Europas. Christliche Händler aus Bari raubten im 11. Jahrhundert seine Gebeine aus Myra, angeblich um sie vor den vordringenden muslimischen Seldschuken in Sicherheit zu bringen. Seither sonnt sich Bari in der Verehrung des Heiligen, erhob ihn zu ihrem Schutzpatron und baute ihm eine stattliche Basilika. Die Händler fast jeder europäischen Stadt haben ihm zu Ehren eine Nikolaikirche gestiftet. Sein Gedenktag, der 6. Dezember, wird in der ganzen Christenheit begangen und ist mit zahlreichen Bräuchen verbunden, besonders dem Beschenken der Kinder. Den Reformatoren passte die populäre Verehrung des Heiligen nicht. Martin Luther verbannte den Brauch deshalb aus der guten Stube der christlichen Familie und übertrug die Bescherung dem Christkind am Weihnachtsabend.

Wie eine Rache aus unbewusster Tiefe scheint mir, dass Nikolaus dank dem amerikanischen Kommerz seit den 1930er Jahren zurück ist. Ausgerechnet Coca-Cola und schnulzige Santa-Songs haben einen Hybrid unbegrenzter Schenklust geschaffen und Nikolaus umso näher ans grosse christliche Fest gerückt: Als Weihnachtsmann. Man mag davon halten, was man will, aber Nikolaus ist auch hier in der Rolle des Versöhners: Christen und Nichtchristen, Gläubige und weniger Gläubige feiern mit seinem Segen das Fest der Grosszügigkeit und der Liebe. Pfr. Roland Diethelm

 

Fürbitten

Wir warten auf dich, guter Gott, und hoffen, dass das Gute wirklich siegt.
Wir warten auf dich, barmherziger Gott, und hoffen, dass sich deine Barmherzigkeit ausbreitet.
Wir warten auf dich, heiliger Gott, und hoffen, dass du deine Schöpfung rettest.
Wir warten auf dich und rufen dir zu: Komm, Herr Jesus.

Wir warten darauf, dass du das Leben zum Guten wendest.
Wir denken an die Kinder, die in Angst leben, die bedroht werden, die missbraucht werden.
Wir denken an die Menschen ohne eigene Wohnung, die Obdachlosen in den kalten Nächten, die Frauen, die vor Gewalt fliehen, die Flüchtlinge. Du hast es uns versprochen, dass du kommst und alles gut wird.
Wir warten auf dich und rufen dir zu: Komm, Herr Jesus.

 

Wir warten darauf, dass die Barmherzigkeit die Welt regiert.
Wir denken an die Mächtigen, die ehrlich und integer sind, die das Beste wollen, die sich verausgaben und das Recht schützen.
Wir denken an die Gewaltherrscher, die über Heere befehlen, die nur ihre Interessen verfolgen, die die Schwachen quälen.
Du hast es versprochen, dass die Barmherzigen Barmherzigkeit erlangen und die Sanftmütigen das Erdreich besitzen werden.
Wir warten auf dich und rufen dir zu: Komm, Herr Jesus.

 

Wir warten darauf, dass dein Heiliger Geist unsere Herzen erfüllt.
Wir denken an alle, die für die Bewahrung der Schöpfung arbeiten, an unsere Kinder und ihren Mut, an alle, die sich mit kleinen Mitteln dem Klimawandel entgegenstellen.
Wir denken an die weltweite Kirche, an die Gemeinden im Heiligen Land, an alle, die in diesen adventlichen Tagen voller Unruhe sind, an unsere Gemeinde und alle, mit denen wir verbunden sind.
Du hast es uns versprochen, dass du kommen wirst und das Antlitz der Erde neu wird. Heute und alle Tage dieses Advents rufen wir dir zu: Wir warten auf dich.

Komm, Herr Jesus.

Amen.

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